Die Banalität des Bösen und ihre Verdrängung
„Geschichte und Region“ lädt am 1. Februar zum historischen Filmabend über die Aufarbeitung der faschistischen und nationalsozialistischen Vergangenheit in Italien und Deutschland. Mit Filippo Focardi und Andreas Oberprantacher
Seit der Eröffnung des Dokumentationszentrums am Bozner Siegesdenkmal und den Diskussionen um die Historisierung des „Mussolini-Reliefs“ am Gerichtsplatz ist auch in Südtirol der zunächst rätselhafte Satz Hannah Arendts „Niemand hat das Recht zu gehorchen“ geläufig. Weniger bekannt dürfte der Zusammenhang sein, in dem er steht: Die jüdische, deutsch-amerikanische Philosophin spricht mit diesem Satz dem in Jerusalem angeklagten ehemaligen SS-Mann Adolf Eichmann das Recht ab, seine Mithilfe zum Massenmord mit dem Verweis auf Gesetze und Befehle zu rechtfertigen.
Gehorsam enthebt nicht von moralischer und juristischer Verurteilung. Eichmanns Verteidigungsstrategie war keineswegs besonders originell: Nach 1945 entstanden in Deutschland und in Italien zahlreiche Formen und Strategien, mit der eigenen Schuld an Krieg, Gräuel und Massenmord umzugehen: Viele verdrängten die Untaten einfach, viele bestritten sie, viele schoben die Schuld auf andere. Fest steht jedoch, dass sich in Italien, in Südtirol und in Deutschland bis heute völlig unterschiedliche Formen der historischen Aufarbeitung und des gesellschaftlichen Umgangs mit der historischen Schuld ausbildeten. Diesem schwierigen Thema will der von „Geschichte und Region“ organisierte historische Filmabend im Bozner Filmclub nachgehen. Als Einstieg dient der Spielfilm von Margarethe von Trotta „Hannah Arendt“ (2012), der Arendts journalistische Beobachtung des aufsehenerregenden Eichmann-Prozesses 1961 zum Thema hat. Er zeigt eindringlich, dass selbst die jüdische, aus Deutschland und Frankreich geflohene Philosophin größte Schwierigkeiten hatte, das absolute Böse, das die Nazis verkörperten und bewirkten, zu beschreiben. 1963 veröffentlichte sie ihre Beobachtungen und die Schlüsse, die sie daraus zog, im äußerst kontroversen Buch „Die Banalität des Bösen“, das im angelsächsischen, im deutschen, aber auch jüdischen Kulturraum zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Grundfragen der Menschheit nach dem Holocaust zwang: Wie konnten Krieg, Verfolgung und Massenmord geschehen, wer war dafür verantwortlich, wie lässt sich derartiges in Zukunft vermeiden? Nach der Filmvorführung werden diese Fragen in einer Diskussionsrunde weiter vertieft werden. Siglinde Clementi (unibz) spricht mit Filippo Focardi (Uni Padova) und Andreas Oberprantacher (Uni Innsbruck) über die Grundfragen der Schuld und Mitschuld und ihrer gesellschaftlichen Bewältigung, wobei besonders Italien, Deutschland und Südtirol im Vordergrund stehen sollen.